Was der Spion-Spiegel zeigt

Was der Spion-Spiegel zeigt

Der „Tag der Bahnhofsmission“ lädt Passanten am 18. April zum „Blickwechsel“ ein

 

 

Würzburg. Sie sind wie alte Bekannte, die Heiligenfiguren auf der Mainbrücke. Tausend Mal ging man schon an ihnen vorüber. Tausend Mal hat man sie schon gesehen. Doch wie heißen sie eigentlich gleich noch mal? Und wie sehen sie ganz genau aus? Beim „Tag der Bahnhofsmission“ werden Passanten die Brückenheiligen für einen Augenblick genau betrachten. Und feststellen: Es lohnt sich, ganz genau hinzugucken. So genau, wie das die Bahnhofsmission tagtäglich in ihrer Arbeit tut.

 

 

Blickwechsel“ lautet das Motto des diesjährigen „Tags der Bahnhofsmission“ am 18. April. In Würzburg hat man sich für diesen Aktionstag etwas ganz Besonderes ausgedacht. „Wir werden mit der Wanderbank als Requisit durch die Stadt ziehen“, verrät Anne Walz, Leiterin des vom Förderverein der Bahnhofsmission getragenen Projekts „Wanderbank“. Sieben Stationen wird es geben. An jeder hat der „Blick-Wechsel“ eine eigene Bedeutung.

 

 
So werden Passanten auf der Alten Mainbrücke unter dem Motto „Blickpunkt“ aufgefordert, auf der Wanderbank Platz zu nehmen und durch eines der bereitliegenden Ferngläser zu blicken. Etwa auf einen Brückenheiligen. Der Aha-Effekt lässt garantiert nicht auf sich warten: Ja, es ist gut, im Getriebe und der Oberflächlichkeit des Alltags einmal stehen zu bleiben und das, was des Weges kommt, genau in den Blick zu nehmen. Um zu besseren Urteilen zu gelangen. Um zu würdigen, was der oberflächliche Blick übersieht.

 

 
Am Vierröhrenbrunnen werden besondere „Spion-Spiegel“ die Wanderbank bestücken. Wer durch sie hindurchschaut, sieht nicht das, was direkt und offensichtlich vor ihm liegt. In dem Fall der Brunnen. Sondern etwas, was sich – außerhalb des Blickfelds – seitlich befindet. Die Domstraße etwa. Auch diese „Blickfang“ betitelte Erlebnisstation setzt prompt Erkenntnisprozesse in Gang. Wie oft wird nicht rechts und nicht links geschaut. Wie oft existiert nur das, was direkt vor den eigenen Augen liegt.

Um ein vollständiges Bild zu gewinnen, muss der Blick jedoch gewendet werden. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahnhofsmission ist dies „Alltagsgeschäft“. Sie begnügen sich nicht mit dem, was auf dem ersten Blick wahrnehmbar ist. Um ein vollständiges Bild zum Beispiel von der Lebenslage eines Menschen zu gewinnen rücken sie ihren Blick ganz bewusst hin zu dem, was zunächst unsichtbar ist.

 

 

 

 
An einer weiteren Station auf dem Domplatz wird es zum Thema „Lichtblick“ darum gehen, ein zunächst unerkennbares Bild auf schwarzem Untergrund durch eine Art „Taschenlampe“ zu erhellen. Auch dies ist symbolisch für die Arbeit der Bahnhofsmission: Menschen, die in so verfahrenen Lebenssituationen stecken, dass ihnen alles nur noch Schwarz in Schwarz erscheint, erhalten durch die Gespräche mit den Mitarbeitern Lichtblicke, die ihnen Mut machen, sich aus ihrem momentanen, emotionalen Tal herauszuarbeiten.

 

 
Am unteren Marktplatz wird Heike Mix auf die Passanten warten. Sie hat unter dem Motto „Den Menschen im Blick“ ein Ratespiel im Gepäck, das animiert, sein Wissen über die Bahnhofsmission zu überprüfen. Außerdem wird eine prominente Persönlichkeit aus Würzburg von ihr auf der Wanderbank interviewt.

 

 
Der fantasievolle „Blickwechsel“ endet gegen 16.30 Uhr am Hauptbahnhof. Dort wird es einen „Aus-Blick“ auf das Wanderbank-Projekt geben. Zahlreiche Geschichten wurden dort inzwischen von Anne Walz eingefangen. Bei einer Ausstellung im Juni in der Stadtbücherei wird es einen ersten Einblick geben, was ganz unterschiedliche Menschen Anne Walz bisher erzählt haben. Im Dezember wird eine zweite, große Ausstellung in der Sparkasse Mainfranken organisiert.
Der „Tag der Bahnhofsmission“ ist eine bundesweite Veranstaltung. An diesem Tag machen Einrichtungen aus ganz Deutschland auf die große gesellschaftliche Bedeutung der Bahnhofsmissionen aufmerksam. Jeder kann einmal in die Situation kommen, wo er Unterstützung durch die Bahnhofsmission braucht.

 

 
Die Bahnhofsmission ihrerseits benötigt die Unterstützung durch die Menschen in der jeweiligen Stadt. Und zwar bei weitem nicht nur finanziell. Der „Tag der Bahnhofsmission“ dient nicht zuletzt dazu, Brücken zu schlagen und Blickwechsel zu ermöglichen zwischen Menschen, die in sozial annehmbaren Bedingungen leben. Und solchen, deren Dasein in mitunter unvorstellbarer Weise prekär ist.